
Lebenserwartung und
Lebensqualität
bei Lungenkrebs
verbessern
„Nein, aus meiner Sicht handelt es sich hier nicht um Metastasen, sondern um Entzündungsherde.“ (Foto unten) Die Stimme der Radiologin Dr. Susanne Stiebeler von der Radiologischen Allianz ist deutlich zu hören. Sie sitzt Schreibtisch an Schreibtisch mit Dr. Birgit Hantzsch-Kuhn (Foto oben), Oberärztin des Onkologischen Schwerpunkts der LungenClinic. Während von einem PC die CT-, PET-CT und MRT-Bilder der jeweiligen Patient:innen per Beamer an die Wand des Vortragssaals der LungenClinic projiziert werden, werden vom anderen Rechner die Patientendaten samt der Ergebnisse bereits erfolgter Untersuchungen dargestellt. Im Publikum des Vortragssaals sind Pneumolog:innen, Onkolog:innen und Thoraxchirurg:innen der LungenClinic versammelt. Außerdem ist der Pathologe des Kooperationspartners UKE anwesend und es sind Mediziner:innen eines anderen Klinikums zugeschaltet, die für zwei ihrer Patient:innen um eine Empfehlung der Tumorkonferenz gebeten haben. Ein Strahlentherapeut der Radiologischen Allianz nimmt zusätzlich digital teil. Innerhalb von wenigen Minuten müssen alle zahlreiche Informationen zur Kenntnis nehmen, gemäß der Erläuterungen der jeweils behandelnden Mediziner:innen in den Kontext einordnen und daraus ein schlüssiges Gesamtbild für sich samt Einschätzung entwickeln.
Tumorkonferenz: Als Lungenzentrum ist es Anliegen und Auftrag der LungenClinic
auch zahlreiche Zweitmeinungsanfragen zu beantworten
Es ist der erste von 23 Fällen, die an diesem Donnerstagnachmittag zur Diskussion stehen. Und es wird heiß diskutiert. Vor einer Therapieentscheidung und auch nach einer Operation müssen die Patient:innen in der Tumorkonferenz vorgestellt werden. Insgesamt werden pro Woche um die 50 Fälle besprochen, davon auch ein relevanter Anteil an Zweitmeinungen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Hinterfragen der Fälle aus den verschiedenen Blickwinkeln der Fachärzte der Bereiche Pneumologie, Onkologie, Thoraxchirurgie, Radiologie und Pathologie dazu geführt hat, dass die Patient:innen bei ihrer Behandlung auf die größtmögliche Expertise vertrauen können. Es geht hier nicht um Behandeln um jeden Preis. Im Fokus steht die Frage, was für die jeweiligen Patient:innen das Beste ist. „Wir behandeln nach den anerkannten Leitlinien, die nach einem festen Algorithmus Bestrahlung, medikamentöse Therapien oder eine OP vorsehen“, erklärt Dr. Birgit Hantzsch-Kuhn, Oberärztin der Onkologie in der LungenClinic. „Dabei berücksichtigen wir aber für alle Patient:innen ihre ganz individuelle Ausgangslage – Vorerkrankungen, Lungenfunktion, Tumorbiologie und die Perspektive für den Verlauf der Erkrankung.“
Individuelle Ausgangslage der Patient:innen immer
im Fokus aller Entscheidungen
Wie passen Befunde, Allgemeinzustand und manchmal sogar Wertvorstellungen der Patient:innen zusammen und welche Art der Therapie ist auch angesichts der molekularen Marker laut Pathologie angeraten? Fragen wie diese befassen die Runde des Tumorboards. Die Erfahrung der Mediziner:innen ist hier hilfreich. Ob sich ein Tumor bei ähnlichen Fällen als bösartig erwiesen hat, hilft bei der Einschätzung des aktuellen Falls, ist aber nur ein Indikator. Prof. Dr. Martin Reck, Chefarzt der Onkologie der LungenClinic, hat zudem stets im Blick, ob die vorgestellten Patient:innen in eine der laufenden onkologischen Studien aufgenommen werden können. Das durch die Forschung gewonnene Wissen um die Bedeutung von molekularen Markern und die daraus zu schlussfolgernden besten Behandlungsmethoden haben insgesamt die Lebenserwartung bei Lungenkrebs erhöht. Doch noch immer gibt es offene Fragen. Bewiesen ist dagegen, dass die Behandlung in einem zertifizierten Lungenkrebszentrum die Lebenserwartung der Betroffenen verlängert. Dies wird jedoch nicht unbedingt durch die Maximaltherapie um jeden Preis erreicht – eine sorgfältige Beurteilung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit und Bewertung des erforderlichen Resektionsausmaßes führt durchaus häufiger zur Entscheidung gegen eine Operation und für eine umschriebene Strahlentherapie. Der Erhalt der Lebensqualität und eine Minimierung der therapiebedingten Belastungen für die Patient:innen ist wichtige Richtschnur bei den Abwägungen in der interdisziplinären Diskussion.
Unsere Mediziner:innen sind sich stets der Verantwortung über Leben und Tod bewusst
Durch die große Zahl an behandelten Patient:innen ist die Expertise der einzelnen Kolleg:innen hoch: Über 600 Mal pro Jahr müssen die Ärzt:innen der LungenClinic Menschen mit der Diagnose Lungenkrebs konfrontieren, sie in der Krankheit begleiten und die bestmögliche Therapie auf den Weg bringen. Trotz der Routine, die diese Erfahrung mit sich bringt, sind sich die Mediziner:innen ihrer Verantwortung für eine individuelle Betrachtung jedes Falls bewusst: „Besteht die realistische Chance, dass diese Patientin in Anbetracht ihres Übergewichts und ihrer chronischen Bronchitis eine OP gut übersteht und anschließend eine ausreichende Lebensqualität erreichen kann?“ fragt Prof. Dr. Klaus F. Rabe bei einem operativen Grenzfall kritisch in die Runde. Solche Fragen sind auf Basis objektiver Befunde, medizinischer Erfahrungen und Kenntnis auch der psychischen Konstitution der Patient:innen verantwortungsvoll zu beantworten. Eine Aufgabe, die – wie in der Tumorkonferenz praktiziert – auf mehrere Schultern verteilt, leichter zu bewältigen ist.
Am Ende ist jede Person trotz Leitlinien mit ihrer Erkrankung einzigartig. Dies zu berücksichtigen, ist Auftrag und Herausforderung der Tumorkonferenz.

Unklare Verdichtung im rechten Oberlappen – Entzündung oder doch Malignom? |