
Körperliche Inaktivität
verstärkt die
Lungenerkrankung
Ein Raunen ging durch den Saal. Mehrere Zuhörer tuschelten mit ihrem Sitznachbarn, zeigten auf die Grafik, die im Vortragssaal der LungenClinic von Dr. Henrik Watz gerade präsentiert worden war. Kann das sein? Dass bereits 600 Schritte pro Tag die Rehospitalisierung aufgrund einer Exazerbation bei COPD um 50 Prozent verringern? 600 Schritte? Das sind keine 15 Minuten Spaziergang!
Die Skepsis der Gäste der Veranstaltung „Hilfe zur Selbsthilfe“ für Patient:innen mit Lungenerkrankungen, veranstaltet vom Lungenzentrum der LungenClinic, war greifbar. Doch Henrik Watz, der ärztliche Leiter der Studie TelementorCOPD, deren Konsortialführung die LungenClinic innehat, ist auch Mitglied im Vorstand der AG Lungensport. Er weiß, dass Patient:innen mit Lungenerkankungen schneller außer Atem geraten. Vieles im tagtäglichen Leben wird dadurch für sie anstrengend, sie bewegen sich weniger, in der Folge nimmt die Unsicherheit bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit zu, die soziale Anbindung geht immer mehr verloren und die körperliche Inaktivität verstärkt die Erkrankung.
Bereits 600 Schritte pro Tag reduzieren Gefahr der Exazerbation bei COPD um 50 Prozent
Um diese Abwärtsspirale bei einer Lungenerkankung also zu stoppen, muss der innere Schweinehund besiegt werden und die körperliche Aktivität bewusst gefördert werden. Gezielter Lungensport hilft hier besonders, denn durch den Lungensport lernt man die Belastbarkeit und körperliche Aktivität wieder langsam zu steigern, was wiederum die Lebensqualität enorm erhöht.
„Neben der medikamentösen Therapie ist vor allem die Bewegungstherapie in Form eines kontinuierlich durchgeführten, speziell auf die Erkrankung ausgerichteten körperlichen Trainings ausschlaggebend für den Behandlungserfolg“, hebt die Lungensport AG unter www.lungensport.org hervor. „Ziel ist es, die Belastbarkeit der Patienten und damit ihre Lebensqualität dauerhaft zu verbessern, um den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen.“ Zudem werden zehn Gründe für die Teilnahme am Lungensport angeführt:
Verbesserung von Kraft und Ausdauer
Verbesserung von Flexibilität und Koordination
Erhöhung der Leistungsfähigkeit
Reduzierung von Atemnot
Verbesserung der Alltagsbewältigung
Freude an der Bewegung
Abbau von Ängsten
Stärkung des Selbstbewusstseins
Stärkere soziale Einbindung durch gemeinsame Aktivitäten
Verbesserung der Lebensqualität
Und dann wird es konkret, denn unter Standortsuche kann jeder auf der Website schauen, wo in seiner Nähe einer der rund 1.500 Lungensport-Gruppen in Deutschland aktiv ist. „Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist die Gewährleistung einer bundesweiten flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung für Patienten mit Atemwegs- und Lungenkrankheiten.“ Und jene, die in ihrer Nähe keinen Kurs finden, können an einer kostenlos angebotenen Online-Lungensportstunde teilnehmen. Aber auch so findet man im Internet, vor allem bei youtube, zahlreiche Lungensport-Videos.
Unter www.lungensport.org erfährt man, wo in der Nähe der nächste Kurs angeboten wird
Am Ende des Vortrags von Dr. Watz bot die Veranstaltung den Zuhörern der LungenClinic-Veranstaltung auch die Chance, mit Physio- und Atmungstherapeut:innen ins Gespräch zu kommen. „Wir stärken Ihre Atmung!“ lautet der Titel einer Broschüre der Physiotherapeutinnen. In der Atemtherapie gibt es verschiedene Atemübungen und Hilfsgeräte, die helfen können, die Belüftung der Lunge zu verbessern, das Zwerchfell zu trainieren und richtige Atemmuster zu trainieren. Das Zwerchfell als wichtigster Atemmuskel ist eine Muskel-Sehnen-Platte, die den Brust- und Bauchraum voneinander trennt und maßgeblich für die Atmung zuständig ist. Verspannte Muskulatur zu dehnen ist durch zahlreiche Übungen möglich. Ein Bespiel in der Atemtherapie ist der sogenannte Packegriff. Er dient zur Lockerung von fester Muskulatur und Gewebe. Je kontrakter und verspannter die Thoraxmuskulatur ist, desto bewegungseingeschränkter ist der Oberkörper. Die Atembewegung wird dadurch stark beeinträchtigt. Die Physiotherapeutinnen empfehlen daher, eine bequeme Position einzunehmen und mit einer oder auch beiden Händen eine größere Hautfalte (zwischen Daumen und Ringfingerkante) an einer beliebigen Stelle am unteren Rippenbogen zu „packen“. Das Gewebe muss von den Rippen weggezogen werden, während gleichzeitig vier bis sechs Atemzüge in dieser Position verblieben wird. Danach wird der Packegriff an mehreren Stellen des Brustkorbes wiederholt.
In der Atemtherapie gibt es verschiedene Atemübungen und Hilfsgeräte, die helfen können, die Belüftung der Lunge zu verbessern, das Zwerchfell und richtige Atemmuster zu trainieren.
Physiotherapeutin Sabrina Krisch betont zudem, wie wichtig Atemtherapie bereits direkt nach einer Lungen-OP ist. „Viele haben nach einer Operation mit Sekretbildung zu tun und das ist der Nährboden für Bakterien, was eine Lungenentzündung auslösen kann. Das beste Mittel, um die Atemwege frei zu halten, beziehungsweise gezielt frei zu bekommen, ist Atemgymnastik.“ Selbst bei beatmeten Patient:innen führen Sabrina Krisch und ihre Kolleg:innen Physiotherapie durch und auch die Atmungstherapeutinnen kommen zum Einsatz. „Ich versuche unsere Patient:innen von der Beatmung zu entwöhnen, indem wir das selbständige Atmen trainieren. Mehrmals täglich nehmen wir hierfür die Patient:innen von der Beatmungsmaschine", merkt Atmungstherapeutin Katja Suckow an. Mit einem besonderen Sprechaufsatz können die Patient:innen zudem wieder reden. Das Sprechen ermöglicht Kommunikation und gibt Würde zurück. "Besonders wichtig ist es, die Atemmuskulatur durch selbständiges Atmen zu trainieren, um auf lange Sicht wieder komplett ohne Maschine selbständig atmen zu können. Um die Atemmuskulatur auch unter Beatmung zu trainieren, mobilisieren wir in Zusammenarbeit mit der Physiotherapie die Patient:innen unter laufender Beatmung", so Katja Suckow. „Man darf vor lauter Geräten nie den Menschen im Bett übersehen“, ergänzt Sabrina Krisch.
Dass man durch Lungensport und Bewegung sein Risiko, überhaupt in einem unserer Krankenhausbetten zu landen, deutlich vermindert, war eine Erkenntnis, die die Besucher der Patientenveranstaltung überwiegend positiv überrascht mit nach Hause nahmen. Viele hatten zudem einige der Rezepte von Ernährungstherapeutin Jessika Heiming mit im Gepäck. Besonders der Immun-Booster mit Vitamin C dank Orangen, Ingwer und Kurkuma gegen Entzündungen hatte bereits vor Ort viele Verkoster gefunden.